Donnerstag, 18. August 2011

Das Zimmermädchen und ihr Killer - Teil 2

Das Zimmermädchen und ihr Killer - Teil 2


Melanie war in Tränen aufgelöst, als sie aus dem Zimmer schlich. Kurz hatte sie sich hergerichtet um den widerlichen Geschmack ihres Mannes los zu werden, dessen Samen sie immer noch in sich fühlte. Sie konnte immer noch keinen klaren Gedanken fassen und so machte sie weiter mit ihrer Arbeit. Sie fluchte über ihre eigen Schwäche und hoffte auf ein Wunder. Doch wo sollte es herkommen. Wie sollte sie ein Engel erlösen?

Mechanisch machte ein Bett nach dem anderen. Lustlos, kraftlos. Alles dauerte endlos lang. Plötzlich klingelte ihr Handy. Es war eigentlich nicht ihres. Es war das Betriebshandy. Sie hob ab.

"Ja?", hauchte sie in den Hörer.

"Melanie, was ist los? Dein Mann hat mich gerade angerufen. Er ist halb durchgedreht." Es war Louis, der Manager des Hotels.

"Er war hier", meinte sie tonlos. Tränen bildeten sich erneut in ihren Augen.

"Was?", schrie Louis in den Hörer. Er hatte Tom vor über zwei Monaten Hausverbot erteilt, als dieser Melanie im Foyer geschlagen hatte. "Soll ich kommen?"

"Nein, es ist schon ok." Louis war ein netter Kerl. Sie wollte ihn nicht mit ihrem Dreck belasten. Er war der Sohn des Eigentümers und hatte ihr vor zwei Jahren diese Stelle gegeben. Damals war Lisa gerade in den Kindergarten gekommen und sie konnte eine Arbeit annehmen, nach dem ihr Mann seine gerade verloren hatte. Louis war für sie so etwas wie ein großer Bruder. Er hatte ihr auch das Zimmer im Hotel geben, als er von den Problemen der jungen Frau gehört hatte. Das war wirklich nett und sie wollte nicht, dass er noch weiter in die Sache hinein verwickelt wurde. "Ich werden heute Abend zu ihm gehen und mit ihm reden."

"Bist du dir sicher?", fragte er mit ehrlicher Besorgnis.

Nein, sie war sich nicht sicher. "Ja, es muss sein."

"Gut, aber wenn irgendwas ist, ruf mich an. Lisa und du, ihr könnt auch bei mir übernachten, wenn du Angst hast wegen ihm."

"Danke", flüsterte sie in den Hörer. Wenn Lisa nur bei ihr wäre, wie gerne hätte sie Louis Angebot angenommen. Doch Tom hatte das Kind. Er würde vermutlich jetzt schon mit ihr zuhause sein. Ihr Herz schmerzte. Sie wollte es Louis sagte, wollte ihm erzählen, was Tom mit ihr angestellt hatte, doch sie konnte nicht. Der Schmerz, die Scham war zu groß. Niemand würde es verstehen. "Ich kann nicht, aber danke."

"Dann pass in jedem Fall auf dich auf. Und wenn er wieder handgreiflich wird, ruf die Polizei."

"Ja." Sie würde es nicht tun. Die Polizei anzurufen würde bedeuten, sich einem Fremden zu offenbaren. Sie beendete das Gespräch.

***

Das Reinigen der Zimmer hatte für Melanie eine fast meditative Bedeutung. Jeder Handgriff saß. Alles kam an seinen Platz. Keine Unordnung. Kein Chaos. Alles war richtig. Alles war gut. Sie liebte diese Arbeit, auch wenn sie anstrengend war. Vielleicht war diese Arbeit der einzige Grund, warum sie überhaupt noch lebte. Sie zog ihre Chipkarte durch den Schlitz der nächsten Tür. Das Schild, welches sie vom Eintritt abhalten sollte, war von Tom beim Rausgehen entfernt worden.

Mit zielsicheren Handgriffen entfernte sie die benutzten Handtücher, ohne dem geöffneten Gepäck des hier wohnenden Gastes weitere Beachtung zu schenken. Sie zog die Decke vom Bett und wollte sie gerade aufschütteln, als es auf einmal einen Knall machte. Erschrocken blickte Melanie auf den zu bodengefallenen Koffer. Er war aus schwarzem Leder gefertigt und sah unglaublich teuer aus. Durch den Sturz war er aufgesprungen und einige Papiere hatten sich auf dem Boden verteilt. Innerlich fluchte sie über dieses Missgeschick. Heute war wirklich nicht ihr Tag.

Rasch griff sie nach den Papieren und wollte sie wieder in den Koffer stecken. Da fiel ihr die schwarze Pistole auf, die sich wohl ebenfalls in dem Koffer gelegen hatte. Oh, mein Gott, dachte sie. Ist die echt? Ohne nachzudenken, griff Melanie nach der Waffe. Sie fühlte sich schwer an. Unbequem. Wie lange war es her, dass sie das letzte Mal eine Pistole in der Hand gehalten hatte. 15 Jahre. Irgendwann zu Fasching. Und das war ein Spielzeug. Diese fühlte sich echt an.

"Was suchen Sie hier drin?", tönte auf einmal eine raue Stimme hinter ihr. Sie presste die Pistole an sich. Wollte nicht zeigen, was sie entdeckt hatte. Sachte drehte sie ihren Kopf in die Richtung des Mannes. Er trug einen schwarzen Hut, den er weit ins Gesicht gezogen hatte. Er war muskulös und wirkte mit seinem kantigen Zügeln irgendwie brutal. Er machte ihr Angst, selbst, wenn sie nichts von der Waffe gewusst hätte.

"Ich, ich bin das Zimmermädchen", stotterte sie und versuchte die Waffe unter ihrer Schürze zu verbergen, denn sie hatte keine Chance, sie ungesehen in den Koffer zu legen.

"Verschwinde. Ich brauch dich hier nicht. Das Zimmer ist in Ordnung."

Sie wusste, dass dies nicht der Grund war. Das Zimmer hatte vermutlich schon ein paar Tage keine Reinigung mehr erfahren, nur hatte sie nicht darauf geachtet. Hastig erhob sie sich und versuchte sich an ihm vorbei zu drücken, die Pistole immer noch unter der Schürze verborgen. Sie nahm seinen Geruch war. Er roch nach Zigaretten. Ein seltsamer, süßlich herber Geruch. Sie erkannte ihn. Russische. Es war dieselbe Sorte, wie sie auch ihr Stiefvater geraucht hatte.

"Ja, ich gehe ja schon."

Als sie durch die Tür war, schloss er augenblicklich die Tür hinter ihr. Sie ergriff den Servicewagen und eilte mit ihm davon. Sie wollte einfach nur weg. Es war das letzte Zimmer auf der Etage, gleich neben der Treppe. Sie war fertig und das nicht nur bildlich gesprochen. Fast hatte sie den Aufzug erreicht, als abermals ihr Handy klingelte. Was? Nicht jetzt, bitte. Sie konnte nicht anhalten. Sie musste weg. Die gestohlene Waffe lag tonnenschwer in ihrer Hand. Sie ließ sie unter einem Stapel Handtücher verschwinden und schob den Wagen in den Aufzug. Das Klingeln des Handys erstarb, als sich die Türen schlossen.

Melanie schloss sie Augen und überlegte fieberhaft. Sie konnte die Pistole nicht zurückgeben. Nein, das war unmöglich. Ihre einzige Hoffnung war, dass er ihr verschwinden nicht bemerken würde. Sicher brauchte er hier im Hotel keine Waffe. Sie würde nach Hause gehen. Zu Lisa, ihrer kleinen Tochter und zu Tom, ihrem Ehemann. Alles würde gut werden. Im selben Moment erkannte sie die Lüge. Nein, nichts würde gut werden. Tom würde sie weiter schlagen und missbrauchen. Er würde sie mit ihrem Kind erpressen.

Der Aufzug erreichte den Wäschekeller und das Handy klingelte erneut. Diesmal ging sie ran.

"Ja?"

"Melanie?" Es war Louis Stimme.

"Ja", wiederholte sie.

"Melanie, es ist wegen vorhin. Ich, ich wollte nicht, dass du mich falsch verstehst. Ich wollte dir nur einen Platz anbieten, wo du mit Lisa hin kannst, wenn du dich von deinem Mann trennen magst."

"Danke, das weiß ich, Louis", hauchte sie ins Telefon. Es tat gut, seine Stimme zu hören. Trotz seiner Position war Louis nicht mal 10 Jahre älter als sie. Er hatte eine ruhige, gepflegte Art und sie fühlte sich bei ihm geborgen.

"Ich wollte nicht, dass du denkst, ich will dich ihm ausspannen, oder mit dir ins Bett."

"Ich weiß." Daran hatte sie gar nicht gedacht. Sie waren einfach nur Freunde. Genau, deshalb hatte sie ja so ein Vertrauen zu ihm.

"Wirklich?", in seiner Stimme klangen durch den Hörer Zweifel, oder war es etwa Enttäuschung. Sie konnte nicht weiter darüber nachdenken. Nicht jetzt, nicht heute. Sie hatte anderes im Kopf.

"Ja", versicherte Melanie.

"Also, mein Angebot steht. Wenn du willst, kannst du mit der Kleinen echt jederzeit bei mir kommen. Tom wird dich dort nicht finden und ich habe zwei Gästezimmer. Du weißt ja, wo ich wohne."

Wie hätte sie das vergessen können. Er wohnte in einer Villa am Stadtrand. Vor zwei Jahren hatte Louis dort ein großes Fest gefeiert. Sie hatte als Kellnerin für die Cateringfirma gejobbt, die das Essen servierte. Tom wollte nicht, dass sie dort arbeitete, aber sie brauchten das Geld. Louis hatte auf dem Fest zu viel getrunken und als die Gäste gegangen waren, hatte sie ihn betrunken im Pool gefunden. Sie hatte ihn herausgezogen und so sein Leben gerettet. Zumindest behauptete er es immer auf der Weihnachtsfeier, wenn er seine schmeichlerischen Lobreden bezüglich des Personals hielt.

Melanie konnte sich nur daran erinnern, dass sie die ganze Nacht bei ihm geblieben war, um zu verhindern, dass er an seinem erbrochenen erstickt. Es war nicht gerade ein romantisches Treffen, auch wenn Tom ihr dies seit damals vorhielt. Es stimmte nicht. Zwischen Louis und ihr bestand nur eine gewisse Freundschaft, oder?

"Ja, Louis. Danke. Ich werde mit Tom noch mal reden. Vielleicht...", weiter konnte sie nicht reden, weiter konnte sie nicht denken. Es herrschte Schweigen.

"Ist in Ordnung. Viel Glück", waren seine Worte, bevor er auflegte.

Es tat weh, dass er auflegte. Sie wollte nicht, dass er weg war. Sie dachte an den unbeholfenen Jungen in ihren Armen. Sie dachte an den entschlossenen Manager. Sie dachte daran, was er gesagt hatte. Er wollte nicht mir ihr ins Bett. Es war nur Freundschaft. Bedauerte sie das etwa? Sie war sich nicht sicher.

Die Pistole brachte sie wieder zurück in die Gegenwart. Waffen waren böse, das wusste sie. Trotzdem, vielleicht war es Schicksal, dass sie an die Waffe gekommen war. Hatte irgendeine Macht da draußen ihre Notlage erkannt und ihr die Lösung gegeben. Mit zitternder Hand nah, sie diese nun an sich. Sie würde sie nicht benutzen. Doch ihre Gegenwart würde ihr vielleicht die Kraft geben mit Tom ein letztes Mal zu reden. Sie würde zu ihm fahren und Lisa abholen. Tom musste verstehen, dass er zu weit gegangen war. Mit der Waffe in der Hand würde er es nicht wagen, sie erneut zu schlage oder zu missbrauchen. Heute war der Tag der Entscheidung. Sie würde sich nicht länger von Anderen herumschupsen lassen. Nein, sie würde sich aus dem Teufelskreis befreien.

***

Melanie hatte das Hotel verlassen, nachdem sie sich umgezogen hatte. Sie hatte die Pistole in ihrer Handtasche versteckt. Und fuhr mit der Straßenbahn und dem Bus zu dem grauen Plattenbau aus den 60er Jahren, in dem sie seit ihrer Hochzeit wohnten. Nein, das stimmte nicht. Sie wohnte nicht mehr hier. Tom wohnte hier und Lisa war hier. Aber sie würde ihre Tochter zurückholen. Dicke Wolken waren aufgezogen. Es würde bald Regen geben.

Sie betrat das Treppenhaus. Ihr Blick fiel auf die den ungeleerten Briefkasten, der zu ihrer, Toms, Wohnung gehörte. Er quoll über von Briefen. Wie lange war es her, dass er ihn nicht geöffnet hatte. Währen die Scheidungspapiere nicht per Einschreiben gekommen, hätte er sie vielleicht nie gesehen. Ohne darüber weiter nachzudenken, nahm Melanie ihren Schlüssel und leerte den Briefkasten. Dutzend Rechnungen kamen ihr entgegen. Sie sah kurz darüber und nahm fachkundig die Wichtigsten heraus, bevor sie den Rest in den Papiermüll im Hausflur stopfte. Nur die Briefe von der Stromgesellschaft, dem Vermieter, dem Finanzamt, der Arbeitsagentur und der Bank nahm sie mit. Alles andere hatte Zeit. Außerdem war sollte sie sich nicht mit Toms Angelegenheiten herumschlagen.

Der Fahrstuhl brachte sie in den achten Stock. Die Tür öffnete sich und Melanie blickte hinaus. Der Flur im 8. Stock war in ein dunkles Zwielicht getaucht. Der Architekt hatte keine Fenster vorgesehen und die stattdessen eingebaute Beleuchtung hatte allerdings den Nachteil, dass sie seit einem halben Jahr defekt war. Nur die dämmrige Notbeleuchtung funktionierte noch und bot eine Orientierungshilfe. Melanie hätte auch ohne sie ihren Weg gefunden.

Vor der Wohnungstür mit der Nummer 813 blieb sie stehen. Mehrmals atmete sie tief durch. Ihre Finger verschwanden in der Tasche und ertasten die Pistole. Sie war noch da. Sie würde sie begleiten. Sie erhaschte den Schlüsselbund und steckte den Wohnungsschlüssel ins Schloss. Das vertraute Klicken öffnete die Tür und sie trat ein.

"Mama, Mama!"

"Siehst Lisa, ich hab doch gesagt, dass Mama gleich kommt. Nun sind wir wieder eine glückliche Familie."

Melanie zuckte zusammen. Tom stand im Vorraum der kleinen Wohnung und hatte seine Hand auf Lisas zarte Schulter gelegt. Er hielt ihre Tochter fest, so dass sie nicht zu ihr laufen konnte. Ihre Blicke trafen sich. Tom lächelte, während in den Augen der jungen Frau etwas anderes loderte.

1 Kommentar:

  1. bis jetzt fehlt mir der Eingang zur Story .
    Deswegen auch wieder eine 4/10 Krystan .

    HHH

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